Vor einigen Monaten habe ich meinen Perso verbummelt. Das war mir eh egal, weil er kurz danach abgelaufen ist, außerdem ist mein Reisepass ja quasi noch "eeewig" gültig. Also habe ich dieses etwas sperrige Dokument die letzten Wochen mit mir herumgeschleppt, sollte jemand mich und mein Semesterticket im Bus kontrollieren wollen. Wollte jedoch keiner (vielleicht fahre ich auch zu selten Bus). Der Perso hat sich übrigens irgendwann angefunden, und ich bekam Post von der Stadt Kiel mit dem Hinweis, dass er im Einwohnermeldeamt läge und ich diesen dort abholen könnte ... und auch gleich mal nen neuen beantragen müsste, weil abgelaufen. Die haben wirklich für alles Formblätter.
Zu Beginn des Jahres haben wir entschieden: Wir müssen mal zu Hause raus. Der letzte große Urlaub war 2010 (unter Stichwort Las Vegas bekommt ihr da viele tolle Bilder!) und mein Kurztrip nach Indien ist gefühlt auch schon wieder zu lange her. Aber wohin? Nach Indien, wohin es mich eigentlich ständig zieht, an die Stätten meiner Kindheit? Oder endlich wieder nach New York, wo ich mit Anfang zwanzig sehr schnell lernen musste, auf mich selbst gestellt zu sein, für mich also ein magischer Ort? Ich konnte mich einfach nicht entscheiden und habe es daher Alex überlassen, der mir nach reiflicher Überlegung mehrerer Tage mitteilte, dass er gern mit mir nach Indien reisen möchte.
Doch was braucht man, um als deutscher Staatsbürger nach Indien einreisen zu können? Genau, ein Visum. Und wo kommt das hinein? In den Reisepass, der zum Zeitpunkt der Reise noch 180 Tage lang gültig sein muss. Aber das ist ja kein Problem, der ist ja quasi noch eeeeeewig ... Ähm. Ihr könnt euch schon denken, dass ich beginnen musste, die Tage zu zählen und feststellte, dass der kleine rote Karton und ich leider nur noch 124 Tage zusammen sein dürfen. Dumm gelaufen. Ein Blick auf kiel.de sagte mir, dass ich mit 3 - 4 Wochen Bearbeitungszeit rechnen müsse. Dazu natürlich das biometrische Bild und der Fingerabdruck und das wird auch mal nicht billig. Schneller? Geht! Mit Zuschlag, genauso wie wenn ich mehr Seiten in den Ausweis haben wollen würde. Waaaaah! Wobei ich das bereits kenne, denn ich bin immer auf den letzten Drücker unterwegs. Das eine Mal bekam ich sogar noch einen grünen Ausweis, weil die schneller fertig wurden, obwohl alle anderen bereits dunkelrot unterwegs waren. Das war ein Spaß an diversen Grenzkontrollen, ich sags euch ...
Und der Zuschlag ist ja nicht mal das Schlimmste. Vor meinem inneren Auge tauchten gräßliche Fotosessions für die Passbilder auf ("nicht lächeln! sie lächeln ja immer noch! ihre AUGEN lächeln!") und natürlich nervige Wartezeit im alten Rathaus der Landeshauptstadt. Klar kann man dort online einen Termin vereinbaren, aber bisher hat es noch niemand, den ich kenne, geschafft, da - trotz Termin - in hoher Geschwindigkeit wieder herauszukommen. Doch es gibt eine Alternative zum dunklen Flur des alten Rathauses: Die Stadtteilbürgerämter.
Schon bei meiner Ummeldung in die große Stadt habe ich meinen bürokratischen Kram dort erledigen lassen, denn die Stadtteilbürgerämter sind nicht nur denjenigen zugänglich, die dort auf der Ecke wohnen (z.B. Pries / Friedrichsort oder Dietrichsdorf / Neumühlen), sondern allen Kielern. Also versuchte ich auf dem Heimweg von der Arbeit mein Glück auf dem Ostufer und wurde belohnt. Mit kurzer Wartezeit sowie einer sehr netten, gesprächigen und kompetenten Sachbearbeiterin, die mich sogar fragte, ob ich den beantragten Expressausweis bei ihr oder im Rathaus abholen wollte? Ich habe mich dort sehr gut aufgehoben gefühlt und als ich vorsichtig anmerkte, dass ich aktuell keinen Personalausweis besäße, meinte sie gleich, dass ich - so ich den alten Perso im Rathaus abholen würde - bei ihr direkt den neuen beantragen könnte, wenn ich den Reisepass abhole. Die Bezahlung lief ganz problemlos per EC, das Foto wurde aufgeklebt, meine Unterschrift gescannt und fertig.
In der Woche drauf bin ich morgens vor der Arbeit wieder dort vorbei (es gab einen Anruf auf die Mailbox, dass der Ausweis da ist) und ich musste wider Erwarten doch 10 Minuten warten :) Lag aber nach Aussagen der Mit-Wartenden vor allem daran, dass am Nachmittag desselben Tages auf dem Ostufer eine Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg entschärft werden sollte und alle ihren Kram möglichst noch erledigt bekommen haben wollten. Und dann war er auch schon meiner, der Expressreisepass.
Den Personalausweis zu beantragen war sogar noch stressärmer, denn das Foto wurde einfach wiederverwendet, die eingescannte Unterschrift auch. Das Foto bekam ich sogar direkt wieder mit (was mache ich denn jetzt mit all diesen grausamen Passbildern?) und meiner Bitte, den Ausweis dieses Mal im Rathaus in der Innenstadt abholen zu können, wurde problemlos entsprochen. Inzwischen darf man übrigens seinen Reisepass auch behalten - es wurden nur die ganzen Buchstaben- und Zahlencodes abgeschnitten und dann wanderte der abgewetzte dunkelrote Kerl mit all seinen Indien-Visa und US-Einreisestempeln wieder in den großen Rucksack.
Nächster Schritt: Visum beantragen (was übrigens nur wenig angenehmer ist als ein Zahnarzttermin).